011 - Kritik am Jugendamt = Kooperationsverweigerung

In diesem Fall zeigt sich ein dramatisches Machtgefälle mit erheblichen Auswirkungen auf Mutter und Kind.

 

Auf der einen Seite eine Behörde, die keine klaren Perspektiven vorgibt, sehr oft mit Arroganz und Überheblichkeit agiert und nur dann aktenrelevant dokumentiert, wenn es der eigenen Agenda und der eigenen Weltanschauung dienlich ist.

 

Auf der anderen Seite eine betroffene Mutter, die vom Schicksal gebeutelt nicht auf die Hilfe und Unterstützung dieser Behörde zählen kann. Vielmehr nutzt die Behörde da, wo Hilfe benötigt würde, bevorzugt das „Machtgefälle“ und nimmt auf Bindungen zwischen Mutter und Kind (vermutlich unbewusst und betriebsblind) erheblich schädigenden Einfluss. Aus dem Kontext der Aktenlage ist zweifelhaft, ob es dabei mit rechten Dingen – von amtlicher Seite mit der Wahrheit – zugeht.

 

Die zunehmende Verzweiflung und Panik, aber auch die verständliche Wut der Mutter in diesem Fall, die Sorge um das eigene Kind und die negativen Erfahrungen mit den Akteuren des Jugendamtes sorgen logischerweise für Reaktionen, die sehr oft mit Aufregung und schwierigen Gesprächsatmosphären einhergeht.

 

Dazu gibt es diverse fragwürdige Entscheidungen des Jugendamtes, die auch die Autoren dieser Erhebung beim Lesen der Akten mit Fragen zurückließen.

 

Berechtigte Kritiken und ausbleibende verbindliche Perspektiven, die von der Mutter in Gesprächen und Emails eingefordert wurden, wurden von Amts wegen dahin interpretiert, dass die Mutter „nicht kooperiert“ und eine Zusammenarbeit erschwert bis unmöglich macht.

 

Zu einem, von der Anwaltschaft der Mutter und der Mutter selbst sogar vorgeschlagenen Sachbearbeiter-Wechsel (zu einer Person, die schon in den Fall involviert war und zu der die Mutter zumindest ein ansatzweises Grundvertrauen hatte) war man zu keiner Zeit – auch nicht in Gerichtsterminen – bereit.

 

Hier hätte auch das Familiengericht als Institution „über dem Jugendamt“ in diesem Sitzungstermin die Möglichkeit gehabt, mit Mutter und Jugendamt ein verbindliches Perspektiv-Konzept auszuarbeiten. Es hat diese Chance nicht genutzt, obwohl Mutter und Anwaltschaft diese Option laut Sitzungsprotokoll erkennbar ernsthaft formuliert haben.

 

Erkennbar war und ist aus der Aktenlage eine – in der Gesamtwürdigung zu einfache – Sorge, dass die Mutter mit dem Kind „abtauchen“ könnte, sobald das Kind im Umgang mit der Mutter unbeobachtet wäre. Damit machen es sich Jugendamt, Familiengericht und Verfahrensbeistandschaft schon aus der Aktenlage erkennbar zu einfach:

  • Die Mutter hat zwei weitere Kinder in der unmittelbaren Umgebung, die jeweils bei ihren Vätern, bzw. Großeltern leben. Diese Verbundenheit spricht gegen ein Abtauchen der Mutter mit nur einem ihrer Kinder.
  • Die Wahrscheinlichkeit, dass sie mit einem Kind abtaucht, sich damit – aufgrund der Übertragung von Sorgeanteilen an das Jugendamt – strafbar macht und damit Gefahr läuft, das Kind auf lange Zeit zu verlieren, ist nur minimal vorhanden.
  • Unterstellungen des Jugendamtes, beispielsweise auf ausgebliebene Impfungen, sind in einem Gerichtstermin bereits widerlegt worden.

Kaum bis nur abstrakte Gefährdung genügen Gericht und Jugendamt für Grundrechtseingriffe.

 

Mit einer klaren und verbindlichen Perspektive kann und muss eine gut koordinierte Rückführung zur Mutter das Pflichtenheft von Jugendamt und Familiengericht sein.

 

Dieses umso mehr, da auch aus den Verfahrensakten erkennbar ist, dass von der Mutter keine  konkrete Gefahr für Leib und Leben des Kindes ausgeht. Vielmehr braucht die Mutter, deren Leben wie erwähnt durch einen Schicksalsschlag aus den Fugen geriet, die Unterstützung und Hilfe der staatlichen Gemeinschaft und des Wächteramtes.

 

Erschwert wird das Ganze dadurch, dass das Vertrauen und damit auch das Klima zwischen Mutter und Jugendamt durch den bisherigen Fallverlauf massiv gelitten haben.

 

Das Jugendamt wäre gut beraten, nicht nur permanent die Kooperationsbereitschaft und Selbstreflexion der Mutter einzufordern, sondern sich selbst zu reflektieren und mit „neuen Kräften“ und einem professionellen Konzept – bestenfalls abgesichert durch ein professionell agierendes Familiengericht – an besserer Zukunft für Mutter und Kind zu arbeiten.

 

Es gibt schon jetzt deutliche Hinweise, dass geringere Eingriffe im Vergleich zur Inobhutnahme, nach der Sozialgesetzgebung möglich wären und ungenutzt bleiben. Dazu ist schon heute die Rechtsprechung von BVerfG, BGH und EGMR eindeutig, über die sich die Familiengericht wie auch das Jugendamt hinwegsetzen.

 

Das Jugendamt stellt laut Sitzungsprotokoll in einer jüngeren Gerichtsverhandlung fest, dass eine Rückführung vorbereitet werden müsste. Es benennt zwei wesentliche Punkte: Eine eigene Wohnung der Mutter mit ausreichender Größe für Mutter und Kind sowie wirtschaftliche Sicherheit.

 

Von Gefahren für die körperliche oder psychische Unversehrtheit des Kindes ist nachvollziehbar nicht die Rede, da von der Mutter auch aus der Gesamtbetrachtung aller vorliegenden Akten keine Gefahr für das Kind ausgeht.

 

Vielmehr wird aus den Anhörungsberichten der Richterschaft wie auch der Verfahrensbeistandschaft deutlich, dass es sich um ein wohlerzogenes und angenehmes Kind handelt, das sich gut integriert, über altersgerechte soziale Kompetenz verfügt und bis auf Karies kerngesund ist.

 

Das lässt Rückschlüsse darauf zu, dass die Mutter in der Lebenszeit des Kindes bis zur Inobhutnahme ihrer Pflicht zur Erziehung und Pflege des Kindes offenbar beständig nachgekommen ist.

 

Das nährt die Frage nach der Verhältnismäßigkeit der Inobhutnahme und insbesondere die ausbleibende Rückführung.

 

Teil der Anhörungsberichte ist auch, dass das Kind Befragungen des kindschaftsrechtlichen Systems verweigert, zu seiner Mutter zurück möchte und diesen Willen auch autonom und wiederholt deutlich geäußert hat. Festzustellen ist aus der Aktenlage lediglich, dass eine Hilfe für Mutter und Kind durch Jugendamt und Familiengericht ausdrücklich nicht erfolgte, sondern teilweise geradezu amateurhaft eigene Deutungen eingebaut wurden, die die bisherige gute Erziehung und Pflege des Kindes durch die Mutter eher ausblenden, keinesfalls aber würdigen.

 

Vielmehr wird die Kritik der Mutter an Kleidung oder weniger optimalen Zuständen in der Wohngruppe des Kindes erneut als „Kooperationsverweigerung“ ausgelegt und mit dieser Begründung eine Rückführungsperspektive als derzeit unmöglich ausgeschlossen.

 

Kritik der Mutter bildet zunehmend die Grundlage für „strafende Sanktionen“ durch das Wächteramt.

 

Das Jugendamt hätte die Möglichkeiten, die Mutter in der Wohnungsfrage wie auch in der Frage der sozialen Sicherung zu unterstützen. Das unterbleibt.

 

Auch im zuletzt erfolgten Gerichtstermin stellt das Gericht Mutter und Anwaltschaft vor die Wahl:

 

Entweder wird der „Rückführungsantrag“ (Rückübertragung Sorgerecht) zurückgezogen oder das Familiengericht lehnt den Antrag ab.

 

So sind insbesondere das Jugendamt, aber auch das Familiengericht in entscheidender Instanz nicht Teil der Lösung, sondern stehen guten Lösungsansätzen sogar im Weg. Die Folge sind übermäßige Grundrechtseingriffe gegen Mutter und Kind, Menschenrechtsverletzungen und kontinuierliche Schädigung des Kindes und der Mutter.

 

Aus der Aktenlage sind die monatlichen Kosten für die Unterbringung des Kindes bekannt, die sich nah an einer fünfstelligen monatlichen Summe bewegen. Ein Konzept, dass eine Unterstützung der Mutter und eine nachfolgende Rückführung und Wiedervereinigung von Mutter und Kind im Subjekt haben, wäre schon zum jetzigen Zeitpunkt vermutlich „nur halb so teuer“ gewesen.