004 - Beim Wechselmodell ging es dem Kind besser!

Aus einem, über längere Zeit erfolgreich praktizierten Wechselmodell fordert eine Elternperson, nach Festigung einer neuen Beziehung in einem benachbarten Landkreis und dem Ziel des Umzuges dorthin, das gemeinsame Kind mitzunehmen.

 

Die Kontinuität sollte somit für das Kind aufgegeben und das Kind auch in eine neue Schule im benachbarten Landkreis umgeschult werden. Aus dem erfolgreich gelebten Wechselmodell sollte nun durch Umzug, Schulwechsel und neue Umgebung für das Kind ein Residenzmodell werden und die Person, die in einen benachbarten Kreis gezogen ist, will nun hauptsächlich betreuende Elternperson sein.

 

Von Antragstellung der umgezogenen Elternperson bis zum Gerichtstermin dauert es fast drei Monate. Für eine manipulierende Elternperson eine zumeist ausreichend lange Zeit für das „kontinuierliche Bearbeiten des Kindes“, insbesondere wenn die andere Elternperson nicht manipuliert, sondern vielmehr das Kind aus dem elterlichen Konflikt raushalten will.

 

In den fast drei Monaten zwischen Antragstellung und Gerichtstermin ist aus den Berichten von Jugendamt und Verfahrensbeistandschaft sowie aus der Anhörung aufgrund der zeitlichen Abstände erkennbar, dass es anfangs keinen Willen des Kindes zu einem Umzug gibt, kurz darauf eine zunehmende Positionierung bei gleichzeitiger Wankelmütigkeit und Neugier auf Versprechungen der umgezogenen Elternperson. Es entsteht schon zu dieser Zeit der Eindruck, dass das Kind „gekauft wird“.

 

Vor dem anstehenden Gerichtstermin äußert das Jugendamt Zweifel, dass der Wille des Kindes autonom sei und stellt die Vermutung auf, dass eine Einflussnahme der umgezogenen Elternperson erfolgt. Sowohl Jugendamt als auch Verfahrensbeistandschaft empfehlen die Beibehaltung des bisherigen Wechselmodells und die „Klärung der elterlichen Streitigkeiten“.

 

Bis hierher sollte man davon ausgehen, dass das Familiengericht aufgrund der professionellen Hinweise einem Umzug keinesfalls zustimmen wird.

Weit gefehlt.

 

Tatsächlich löst das Familiengericht die paritätische Betreuung, von dem das Kind profitiert hat, auf und überträgt das Aufenthaltsbestimmungsrecht an die umgezogene Elternperson.

 

Diese schafft noch vor Rechtskraft des Beschlusses umgehend Fakten, informiert das gemeinsame Kind schon unmittelbar nach Beschluss per WhatsApp über „den Erfolg“, meldet sich und das Kind sodann um und das Kind am nächsten Werktag bereits von der alten Schule ab und an der neuen Schule an.

 

Schon nach kurzer Zeit bekommt die (nunmehr gerichtlich degradierte) Umgangs-Elternperson vom Kind Nachrichten, die in der Wortwahl nicht altersgerecht sind. Mit deutlichen Hinweisen, dass das Kind  durch die nunmehr dank eines fatalen Gerichtsbeschlusses „mächtige“ hauptbetreuende Elternperson offenbar aktiv daran arbeitet, das Kind in der sicheren Bindung zur anderen Elternperson gezielt zu verunsichern.

 

„Wer das Kind hat, hat die Macht“

 

Diese Macht ist vom Familiengericht aus nicht nachvollziehbaren Gründen großzügig vergeben worden. Zu einer Befriedung und einer Verbesserung trägt diese Entscheidung nicht bei.

 

Im Gegenteil wird diese Entscheidung das kindschaftsrechtliche System nun weiter beschäftigen, vor allem aber das Kind dauerhaft und nachhaltig belasten, vermutlich auch dauerhaft schädigen. Ebenso die nun zum „Umgang“ degradierte Elternperson.

 

Nachfolgend wird mit Rücksicht auf die Anonymität der Eltern und Kinder pauschaler formuliert, als es aus der Aktenlage, aus Berichten von Jugendamt und Verfahrensbeistandschaft, aus Anwaltsschreiben, Gerichtsprotokollen, -anhörungen und -beschlüssen herauszulesen ist.

 

Während der folgenden Monate manifestiert sich eine Entwicklung, an deren Ende nicht selten – umso mehr bei Einzelkindern im Alter zwischen sieben und vierzehn Jahren der einseitige Kontaktabbruch zur Umgangs-Elternperson die Folge ist:

  • Die bislang gemeinsam betreuende, nun zur Umgangsberechtigung degradierte Elternperson versucht weiter, gleichberechtigte Elternperson zu bleiben. In dieser Phase bestätigt das OLG Braunschweig, dass es bei Kindern in dem Alter regelmäßig zur Übernahme von Haltungen und Formulierungen der hauptbetreuenden Elternperson kommt. Obwohl dieses Wissen also in der Gerichtsbarkeit vorhanden ist, sieht man auch dort keine Veranlassung, Kindern durch eigenes Wirken nach besten Kräften beide Eltern zu erhalten, auf elterliches Einvernehmen hinzuwirken, auf elterliche Loyalität und Wohlverhalten sowie auf Einhaltung grundrechtlich garantierter Rechte und Pflichten von Eltern und Kindern zu achten. Vielmehr werden daraus resultierende, sich beständig einseitiger entwickelnde Aussagen des Kindes nicht als Manipulation verstanden, sondern als autonomer und stabiler Kindeswille interpretiert. Die begleitenden Hinweise und Indikatoren werden dabei außer Acht gelassen.
  • Infolge dessen werden auch Alarmsignale, die auf eine zunehmend verschwindende Ambivalenz beim Kind hinweisen, ignoriert. Da die Zeit vorangeschritten ist; das Kind sich nunmehr im neuen Umfeld eingelebt hat, macht man es sich im neu eingeschalteten Jugendamt des anderen Landkreises, aber auch bei der Verfahrensbeistandschaft leicht: Man stellt die Bindungstoleranz der Umgangs-Elternperson in Frage.
  • Die Erziehung der Umgangs-Elternperson (Mediennutzung, Gesundheit, schulische Disziplin, etc.) wird dort, wo es im Rahmen von „Erziehung des Kindes“ zu Reibereien und Widerständen des Kindes kommt, als Bedrängen und Schikane der Umgangs-Elternperson formuliert, über die sich das Kind – in dem Alter fast natürlicherweise – auch beschwert. In Schriftstücken ist dann die Rede von „Die Elternperson ist nicht nett zum Kind“ oder „Das Kind fühlt sich bedrängt“ (was in fast allen Schriftsätzen in allen Verfahren in vergleichbarer Weise lesbar ist). Das grundgesetzlich geschützte Recht der Eltern auf „Erziehung und Pflege der Kinder als natürliches Recht der Eltern“ wird per kindschaftsrechtlichem System einseitig ausgehebelt.
  • Die gerichtliche Festlegung bindungserhaltender Kontaktregelungen zur Vermeidung von wiederkehrenden Entfremdungsvorgänge wird in keiner der beiden gerichtlichen Instanzen in den Fokus genommen. Stattdessen raten das neue Jugendamt wie auch die Verfahrensbeistandschaft dazu, dass es über den bisherigen, bereits mehrfach behinderten bis boykottierten Kontakt keine weiteren bindungserhaltenden Kontakte zur Umgangs-Elternperson geben soll. Das Kind soll „zur Ruhe kommen“. Zunehmend wird die Umgangs-Elternperson als „das Problem“ dargestellt und damit die Verantwortung für die Entwicklung, die mit dem gerichtlich angeordneten Wechsel desdes Aufenthaltsbestimmungsrechts begann, in erschreckender Opfer-Täter-Umkehr der Umgangs-Elternperson zugeschrieben. Währenddessen geht aus den Unterlagen hervor, dass sich nicht nur (außerhalb der gemeinsamen Zeit) das Verhalten des Kindes zur nunmehr Umgangs-Elternperson verschlechtert, sondern auch die schulischen Leistungen nachlassen.
  • Kritisch zu betrachten ist auch, dass die „qualifizierten Einschätzungen“ im Bericht des Jugendamtes auf je ein Gespräch mit Mutter, Vater und Kind stützen. Wobei das Gespräch mit dem Kind im Haushalt der hauptbetreuenden Elternperson stattgefunden hat. Interaktionsbeobachtungen zwischen dem Kind im Umgang mit BEIDEN Elternpersonen finden ebenso wenig statt wie die Feststellung, dass das Kind vor Beginn des Konfliktes selbstverständlich eine gesunde Bindung zu beiden Eltern hatte und ebenso selbstverständlich bei und mit beiden Eltern gelebt hat. Unbeachtet bleibt auch, dass das Kind in der „Umgangs-Zeit“ auch heute weiterhin unkompliziert und in normaler „Eltern-Kind-Beziehung“ lebt, während in der Zeit bei der hauptbetreuenden Elternperson ablehnende Nachrichten versendet werden und das Kind in Anhörungen, wo die hauptbetreuende Elternperson in unmittelbarer Nähe wartet, die normale Ambivalenz zunehmend verliert.

Prognostisch darf nach Kenntnis der Aktenlage befürchtet werden, dass es zu einem Kontaktabbruch kommen wird, der seinen Ursprung in dem gerichtlichen Beschluss des Aufenthaltsbestimmungsrechts findet.

 

Eine dringend notwendige Korrektur dieser Fehlentscheidung fand nicht statt. Zwar scheint das Gericht selbst erkannt zu haben, dass die Entscheidung des Wechsels gegen den Rat von Jugendamt und Verfahrensbeistandschaft nicht gut war. Auch ist das unkooperative Verhalten der nun hauptbetreuenden Elternperson im Sitzungstermin kritisch kommentiert worden. Mehr aber auch nicht.

 

Tatsächlich gab es zum Status einer „alle-14-Tage-am-Wochenende-Elternschaft“ nur noch drei Stunden Präsenz an einem Tag in den Wochen hinzu, wo es kein Umgangswochenende ist. Dieses soll dann auch in dem Ort stattfinden, wo das Kind jetzt lebt. Man könne die Zeit ja nutzen, um ein Eis essen zu gehen, lautet es im Beschluss.

 

Ein Sachverständigen-Gutachten zur Erziehungsfähigkeit beider Eltern und zu den tatsächlichen Wünschen des Kindes von den Gerichten wurde allerdings vom Gericht verweigert. Stattdessen droht man zumindest von behördlicher Seite der Umgangs-Elternperson mit Entzug des Sorgerechts, wenn sich diese Elternperson nicht „zurückhält und das Kind zur Ruhe kommen lässt“. Die ausbleibenden Informationspflichten der hauptbetreuenden Elternperson bleiben dabei im gesamten kindschaftsrechtlichen System unbeachtet.

 

Im Fazit wird dem Kind per System geschadet, es wird in seinen Bindungen zu beiden Eltern kontinuierlich und zunehmend verunsichert, infolge dessen beeinträchtigt. Die zunehmende Ablehnung des Kindes zur Umgangs-Elternperson wird dabei nicht als Hilferuf eines Kindes verstanden, sondern zur Einschüchterung und weiteren Demontage der Umgangs-Elternperson genutzt. Das kindschaftsrechtliche System ist nicht Teil einer Lösung, sondern entwickelt sich in einer „Allianzen-Bildung“ mit der hautbetreuenden Elternperson zum Kernproblem.