003 - Richterwechsel im „Spielcasino Familiengericht“

Dieser Fall ist für die Autoren in der Beschreibung als „schwierig“ zu bezeichnen, weil der Schutz der Anonymität der betroffenen Elternperson und der Kinder sehr schwer zu gewährleisten ist. Die Zahl der Verstöße gegen Grundrechte, Gesetze und höherinstanzliche Urteile ist ebenso zahlreich wie ein mehr als fragwürdiges Agieren insbesondere des Familiengerichtes und der Verfahrensbeistandschaft. Daher haben sich die Autoren entschieden, hier tatsächlich stichwortartig die erheblichsten Punkte aufzuzählen.

 

Die erheblichsten Punkte in der Übersicht:

  • Die Verfahrensbeistandschaft hat ein einziges Mal die hauptbetreuende Elternperson für eine gute Stunde besucht und in dieser Zeit auch mit den betroffenen Kindern gesprochen. Mit der Umgangs-Elternperson hat die Verfahrensbeistandschaft nur telefoniert, dazu noch weniger als eine Stunde. Mit dieser „Arbeit“ meinte die Verfahrensbeistandschaft, einen ausreichenden Einblick in das Familiensystem zu haben und verfasste auf dieser Basis einen entsprechenden Bericht. Fraglich, wie sie dabei den aktenkundigen Auftrag des „Hinwirkens auf elterliches Einvernehmen“ erfüllt haben will. Entsprechend einseitig fiel ihr Bericht aus, der erheblichen Einfluss hatte. Insbesondere geht sie nicht auf die vorherige gute Arbeit der Erziehungsberatungsstelle ein, fordert für die Umgangs-Elternperson allenfalls einen „begleiteten Umgang“ und spricht sich für das alleinige Sorgerecht für die hauptbetreuende Elternperson aus, sofern die Umgangs-Elternperson „an der Forderung nach einem Wechselmodell“ festhält, was nach „Sanktionierung des Elternseins“ klingt.
  • Trotz eines bereits mehrmonatigen Umgangsboykotts und somit mehrmonatigen Kontaktabbruches findet von Seiten des Familiengerichtes keinerlei Intervention statt. Die hauptbetreuende Elternperson sagt Termine in der Familienberatungsstelle ab, verweigert jede Kommunikation, erschwert den Kindern sogar die Kontaktmöglichkeiten, die von der Familienberatungsstelle initiiert werden. Eines der Kinder sagt im Beisein der Mitarbeiterschaft aus der Familienberatungsstelle, dass es ein persönliches Treffen nicht geben wird, weil die hauptbetreuende Elternperson das verboten hat.
  • Trotz aller Destruktivität der hauptbetreuenden Elternperson und des aktenkundig bereits mehrmonatigen Kontaktabbruches zwischen der Umgangs-Elternperson und den Kindern lehnt das Familiengericht einen Antrag auf ein gerichtliches Vermittlungsverfahren ab mit der Begründung, dass es ja gerade eine Beratung in der Familienberatungsstelle gäbe und Umgangsanbahnung angeblich ja in Begleitung begonnen worden wäre. Im Kontext des Vermittlungsantrages eine gerichtliche Ignoranz der Situation.
  • Alle Versuche der Hilfesuche der Umgangs-Elternperson beim Jugendamt führten nicht weiter. Die weiteren Anläufe, mit der hauptbetreuenden Elternperson direkt in Kontakt zu kommen, wurden verweigert oder mit Gewaltschutz-Anzeigen beantwortet, die allesamt eingestellt wurden. Das Jugendamt, die Verfahrensbeistandschaft und in entscheidender Instanz das Familiengericht betonten stattdessen wiederholt aktenkundig die „Gefühle und Befindlichkeiten“ der hauptbetreuenden Elternperson sowie „Verhalten und Pflichten“ der Umgangs-Elternperson. Jedes Einfordern von Intervention durch die Umgangs-Elternperson wurde verweigert, sogar als persönliche, egoistische Interessenverfolgung abqualifiziert.
  • Wenn die Umgangs-Elternperson die Kinder mit der hauptbetreuenden Elternperson auf der Straße, in der Stadt oder beim Sport getroffen hat, wurden die Treffen dadurch beendet, dass die hauptbetreuende Elternperson mit der Polizei gedroht oder diese sogar angerufen hat. Das hat die Kinder in der ersten Zeit enorm verunsichert.
  • Das Jugendamt hat neben regelmäßiger Betonung von „Verhalten und Pflichten“ der Umgangs-Elternperson sowie „Gefühlen und Befindlichkeiten“ der hauptbetreuenden Elternperson zwar die Interaktion zwischen Kindern und BEIDEN Eltern als vertrauensvoll, zugewandt und positiv beschrieben, beschränkte sich von Beginn an bis heute jedoch auf die Empfehlung, dass beide Eltern doch an ihrer Kommunikation arbeiten müssten. Problemlösung, Identifikation von destruktivem oder konstruktivem Elternverhalten oder eine lösungsorientierte Intervention fand nicht statt. Ebenso keine Information ans Familiengericht.
  • Die Verfahrensbeistandschaft lehnt auch nach vielen Monaten eine Interaktionsbeobachtung vollständig ab. Durch die Umgangs-Elternperson werden Jugendamt und Verfahrensbeistandschaft zu einer neutraleren Haltung aufgefordert. Die Umgangs-Elternperson betont das aktive „Nähe-suchen“ der Kinder und die Verhinderungs- und Verbotsbemühungen durch die hauptbetreuende Elternperson. Destruktive Verhinderungen und Boykotte werden aktenkundig anwaltlich dokumentiert. Die von der Umgangs-Elternperson als absolut positiv und professionell gelobte Arbeit der Familienberatungsstelle werden vom Jugendamt, von der Verfahrensbeistandschaft und auch vom Familiengericht nicht berücksichtigt. Im Verlauf wird der Umgangs-Elternperson das Sorgerecht entzogen. Auf diesen „Erfolg“ aufbauend wird durch die hauptbetreuende Elternperson ein neues Umgangsverfahren auf den Weg gebracht mit dem Wunsch, für die Umgangs-Elternperson einen vielmonatigen Umgangsausschluss zu erreichen. Auch dem kommt das Gericht nach, sogar mit einem längeren Umgangsausschluss als von der hauptbetreuenden Elternperson gefordert.
  • Gebetsmühlenartig dokumentiert die Umgangs-Elternperson die ständigen Versuche der Kinder, Kontakt aufzunehmen und dass sie dabei enormen Mitteilungs- und Austauschbedarf haben. Aus den gerichtlichen Anhörungen, zu denen ausschließlich die hauptbetreuende Elternperson vor der Gerichtstür wartet oder bei der Verfahrensbeistandschaft stets mit in der Wohnung, wenngleich in einem anderen Raum verbleibt, klingen die Aussagen zumindest in den formulierten Berichten anders.
  • Das Jugendamt formuliert sogar einmal, dass die hauptbetreuende Elternperson die andere Elternperson ausschließt. Das Jugendamt wird also schon längst erkannt haben, wie konstruktive und destruktive Eltern-Anteile zuzuordnen sind. Eine Intervention oder ein deutlicher Hinweis ans Familiengericht bleiben jedoch aus. Stattdessen wird weiterhin darauf hingewiesen, dass sich „die Eltern“ doch gemeinsam einigen müssen. Das ist wie eine weitere Einladung an die destruktiv agierende Elternperson, beim eigenen blockierenden Kurs zu bleiben. Es wird keine Konsequenzen haben; es wird nicht sichtbar gemacht.
  • Nach einer Serie der Verfahrensverschleppungen, der Klassifizierung der Eltern in erste und zweite Klasse, nach dem Versuch der permanenten Demontage einer Elternperson ändert sich das Milieu ansatzweise mit einem überraschenden Richterwechsel. Mit neuer Richterschaft wird auch eine neue Verfahrensbeistandschaft ernannt. Beide agieren sehr geschickt und sorgen für eine neue Verfahrenskultur.
  • Dazu werden die Geschwisterkinder älter und vor allem mutiger.
  • Die Kinder entwickeln offenbar selbst eine Strategie, stärken sich als Geschwister offenbar gegenseitig und setzen ihr Bedürfnis auf beide Eltern nun auch gegen die massiven Widerstände der hauptbetreuenden Elternperson zunehmend und immer bestimmter durch. Sie blamieren dadurch ein gesamtes Braunschweiger Helfersystem, denen nichts Anderes einfiel, als die Eltern in zwei Klassen zu unterteilen, dem destruktiven Agieren der hauptbetreuenden Elternperson eher unterstützend, keinesfalls aber intervenierend zuzusehen und die Umgangs-Elternperson in all ihren Bemühungen über Jahre ins Leere laufen zu lassen, stattdessen sogar zu stigmatisieren.

 

Wenngleich das Jugendamt schon mehr als fragwürdig agierte, sind die Leistungen des Familiengerichtes (primär der erstagierenden Richterschaft) und der vorhergehenden Verfahrensbeistandschaft als kindeswohlgefährdend einzuordnen.

 

Zugleich ist dieser Fall ein Paradebeispiel für den zweifelhaften Wert von Anhörungen und Befragungen betroffener Kinder in rudimentärem Rahmen und ohne intensiverer Prüfung der Gesamtsituation.

 

Das Handeln der Kinder steht in krassem Gegensatz zu ihren Aussagen in den Befragungen durch das kindschaftsrechtliche System. Sie stellen den Wert dieser Befragungen in Bezug auf Autonomie, Glaubwürdigkeit und Selbstwirksamkeit erheblich in Frage.

 

Alle Beteiligten, vom Familiengericht über Verfahrensbeistandschaft bis Jugendamt, hätten sich ein Bild von der Interaktion der Kinder mit BEIDEN Elternpersonen verschaffen müssen. Insbesondere hätten sie die ja tatsächlich vorhandenen Erfahrungen aus der Erziehungsberatungsstelle aufnehmen müssen, die als einzige Institution aus der Aktenlage heraus vorbildlich und professionell gearbeitet hat.

 

Die Ermittlung entscheidungserheblicher Tatsachen wie auch die Ermittlung des wahren Willens sowie der tatsächlichen Bindung der Kinder wurden stattdessen sogar trotz Appell über lange Zeit hartnäckig verweigert.

 

Final haben die Umgangs-Elternperson und auch die Kinder „Glück gehabt“, dass es zu einem Wechsel sowohl der Richterschaft als auch der Verfahrensbeistandschaft kam. Daraus muss die Folgefrage abgeleitet werden: Ist Familienrecht in Braunschweig im Besonderen und auch in Deutschland im Allgemeinen ein „Glücksspiel“? Ist das der Anspruch, den man in Familiengerichten, als Verfahrensbeistand oder auch als Jugendamt an sich selbst hat? Und natürlich die Folgefrage: Ist das der Anspruch, den man an einen Rechtsstaat Bundesrepublik Deutschland hat?

 

Nach heutigem Stand besteht die hohe Gefahr, dass die Kinder die derzeit noch hauptbetreuende Elternperson irgendwann einmal ablehnen werden. Zumindest wird die Beziehung zwischen dieser hauptbetreuenden Elternperson und den Kindern für lange Zeit, vielleicht für immer belastet bleiben.

 

Der Kontaktabbruch konnte vorerst repariert und ein trennungsinduzierter Kontaktabbriss konnte verhindert werden. Allerdings in erster Linie durch zwei neu hinzugekommene System-Akteure und insbesondere durch die Geschwisterkinder, die großen Mut bewiesen haben. Fraglich, ob Einzelkinder diese Kraft und diesen Mut hätten.

 

Das kindschaftsrechtliche System insgesamt hat nichts dazu beigetragen. Im Gegenteil hat es vollständig versagt, mit der Familienberatungsstelle die einzige, wirklich gut und professionell arbeitende Institution weitestgehend bis vollständig außenvorgelassen.

 

Schon jetzt ist absehbar: Dieser Fall setzt sich fort. Die hauptbetreuende Elternperson nutzt jede Gelegenheit destruktiven Agierens; die Kinder bleiben dieser negativen Energie aufgrund der enormen Betreuungsanteile ausgesetzt; das kindschaftsrechtliche System überlässt die konflikthafte Trennungsfamilie weiter überwiegend sich selbst.

 

Eine neue Richterschaft allein kann die Lethargie des übrigen Systems nicht ausreichend auffangen, was die Anerkennung des Wirkens der neuen Richterschaft nicht schmälern mag.

 

Mit der damaligen Richterschaft wären die Kinder vermutlich längst „Halbwaisen“. So ist diese damalige Richterschaft in mehreren unserer Verfahren schon aufgefallen.