Es darf zumindest als „mutig“ empfunden werden, Gerichte in einem Rechtsstaat mit Spielcasinos zu vergleichen. Doch dürften sich möglicherweise auftretende Irritations-Empfindungen bei genauer Betrachtung des vorliegenden Berichtes, der aufgeführten Fälle und der zum Teil erschreckenden Performance des kindschaftsrechtlichen Systems in den dokumentierten Verfahren in diesem Bericht auflösen.
Beispielhaft gravierende Feststellungen, die im Verlauf des Berichtes belegt werden:
Von 24 betroffenen Kindern in den analysierten Verfahren
Bei den 24 betroffenen Kindern wurde im Verlauf der Verfahren (durch Verfahrensbeistandschaften oder Jugendamt) bei 17 Kindern zumindest „Therapiebedarf“ festgestellt. Bei 71% der Kinder waren also Therapien notwendig, von denen 6 Kinder bereits in Therapie waren.
Zwei Verfahrensbeiständinnen (eine Rechtsanwältin, eine promovierte Pädagogin) hatten die Beistandschaft bei 12 der 24 Kinder, von denen 11 Kinder entweder temporär über mehrere Monate oder sogar dauerhaft Kontaktabbruch erlitten haben.
Vier Anwaltschaften (alles Anwältinnen) trugen zu temporären oder vollständigen Kontaktabbrüchen bei. Involviert waren bei diesen Anwältinnen 12 der 24 Kinder. Davon erlitten 7 Kinder Kontaktabbrüche, 3 weitere Kinder sind hochgradig von Kontaktabbrüchen gefährdet. 2 der Kinder bedürfen nach Meinung von Jugendamt oder Verfahrensbeistandschaft einer Therapie. Betroffene Elternpersonen waren jeweils 3 Väter und drei Mütter. Es ist insoweit keine elterliche Geschlechterbenachteiligung erkennbar.
Es gab bei allen Parteien mehrere Verfahren in den Akten. In nur rund 8% der Verfahren wurde die Frist von einem Monat eingehalten, die für kindschaftsrechtliche Verfahren laut FamFG vorgegeben ist. Rund 38% der Verfahren fand innerhalb von zwei Monaten nach Antragstellung statt. Dagegen dauerte es bei mehr als der Hälfte der Verfahren von Antragstellung bis Gerichtstermin sogar drei Monate oder länger.
In einem einzigen Aktenkonvolut gab es aus Sicht der Autoren keine wesentlichen Kritikpunkte. Sowohl das Familiengericht als auch Jugendamt, Verfahrensbeistandschaft und selbst das OLG haben Vorgaben geschaffen, die dem betroffenen Kind beide Eltern erhalten haben. Darüber hinaus wurden Vorgaben in die Beschlüsse gesetzt, die den Eltern keinerlei Interpretationsspielraum ließen. Das sorgte für die notwendige „Grund-Befriedung“ des Familiensystems, wovon insbesondere das Kind profitierte. Durch das Amtsgericht versäumte Lücken wurden zeitnah durch das OLG geschlossen. Die Gesetze geben schon heute die entsprechenden Möglichkeiten her, die jedoch in allen anderen Verfahren weder vom Amtsgericht / Familiengericht Braunschweig noch vom OLG Braunschweig adäquat genutzt wurden.
Insgesamt drängt sich die Frage auf, ob es sich im kindschaftsrechtlichen System – und vorneweg in den Gerichten als finale und entscheidende Instanzen – um ein Glücksspiel handelt, an welche Richterschaften, Verfahrensbeistände oder Jugendamts-Mitarbeitende man als Eltern oder Kinder gerät? Haben Kinder und Eltern „Glück“, wenn ein Verfahren wirklich mal (ausnahmsweise) vollständig nach rechtlichen Grundsätzen und professionell abläuft? Welchen Anspruch haben die Politik, die Akteure des kindschaftsrechtlichen Systems und vor allem die Familienrichterinnen und Familienrichter in Deutschland (und nicht nur in Braunschweig) an sich selbst und ihre eigene Arbeit?