Die Eingriffe in Grundrechte von Eltern und Kindern sind häufig notwendig. Leider.
Zugleich erleben Eltern sehr häufig ein Klima von Verunsicherung und Einschüchterung durch Jugendamtsmitarbeitende. Aufgabe der Jugendämter (und final entscheidend der Familiengerichtsbarkeit) sollte immer – in Einklang mit der höchstinstanzlichen Rechtsprechung vom Bundesgerichtshof – die Prüfung der Verhältnismäßigkeit des Grundrechtseingriffs sein.
Darüber hinaus muss erwartet werden können, dass auch kritisches Verhalten von Eltern, deren Kinder in Obhut genommen wurden, die in ihrer Verzweiflung kritisch bis panisch (re-) agieren und sich oftmals ohnmächtig fühlen ob der Übermacht des Systems, von Mitarbeitenden des Jugendamtes mit der gebotenen Empathie begegnet wird.
Eltern, wo etwas temporär einmal „schiefgelaufen“ ist, benötigen Struktur, klare Konzepte, Verbindlichkeit, ehrlich gemeinte Wertschätzung und Vertrauen. Das war in den vorliegenden Fällen mehr als unzureichend.
Hinweis für Eltern und begleitende Anwaltschaften im Falle von Inobhutnahmen:
Folgende Fragen ergeben sich aus einem recht aktuellen Urteil des BGH (AZ: XII ZB 408/18 vom 06. Februar 2019):Link direkt zum BGH-Beschluss
Aus der weiteren Beschlussbegründung des BGH ergeben sich weitere Fragen:
Auch die weitere Beschlussbegründung des BGH ist als Orientierung für betroffene Eltern, deren Anwaltschaften, aber auch für richterliche Beweisfragen in Sachverständigen-Gutachten bestens geeignet, um zu rechtskonformen Ergebnissen zu kommen. So sind auch die alternativen, niedrigschwelligeren Optionen durch das Jugendamt zu prüfen.
So betont der BGH das Leiden des betroffenen Kindes unter der Fremdunterbringung und zeigt auch auf, dass alternative Hilfemaßnahmen nach SGB XIII geboten sind; so beispielsweise eine sozialpädagogische Familienhilfe.
Dabei akzeptierte der BGH nicht, dass eine sozialpädagogische Familienhilfe angeblich nur stundenweise und nicht täglich in einer Familie anwesend sei. Vielmehr ist ein „zeitlich umfangreicherer Einsatz“ geboten.
Vermutlich keiner der, in dieser Erhebung analysierten Fälle dürfte den Kriterien des BGH belastbar standhalten.
Insoweit – und hier wird beispielhaft das Jugendamt aus den von uns analysierten Fällen zitiert:
„Die Maßnahme ist beendet, wenn das Kind das „Seepferdchen“ erhalten hat“
Das Jugendamt ist gefordert, hier das eigene Verständnis von Selbstreflektion und interner Fehlerkultur kritisch zu hinterfragen.
Sollte das nicht gelingen, müssen betroffene Eltern und Kinder vom Familiengericht erwarten, dass nach kritischer Betrachtung und gewissenhafter Ermittlung entscheidungserheblicher Tatsachen eingeschritten wird. Das Familiengericht muss unter Beachtung von Grundrechten und höherinstanzlichen Urteilen vorhandene Grundrechtseingriffe korrigieren und die Betroffenen vor behördlicher Übergriffigkeit schützen.
Auch das ist in den analysierten Fällen nicht mit der gebotenen Sorgfalt passiert. Alle Kinder in den bearbeiteten Fällen sind noch immer bei Pflegeeltern oder Einrichtungen, was aus den Berichten nicht nachvollziehbar ist.
Wenn betroffene Eltern das, durch das Jugendamt als Maßnahme-Subjekt aufgeführte „Seepferdchen“ – in welcher deutlichen Form auch immer – kritisch hinterfragen, ist das im Übrigen eben KEIN Beleg für „fehlende Kooperationsbereitschaft“, die mit weiterem Kindesentzug „zu sanktionieren“ ist.
Auszüge:
Orientierungssatz 1b:
Allerdings folgt aus Art 6 Abs 2 S 1 GG, dass Pflegeverhältnisse nicht in einer Weise verfestigt werden dürfen, die in nahezu jedem Fall zu einem dauerhaften Verbleib des Kindes in der Pflegefamilie führt. Da eine Rückkehr zu den Eltern auch nach längerer Fremdunterbringung ‒
soweit Kindeswohlbelange nicht entgegenstehen ‒ möglich bleiben muss, dürfen die mit einem Wechsel der Hauptbezugspersonen immer verbundenen Belastungen eine Rückführung nicht automatisch dauerhaft ausschließen (vgl BVerfG aaO). (Rn.17)
Orientierungssatz 2.a:
2a. Vor diesem Hintergrund begegnet es verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn ein Fachgericht – wie hier – darauf abstellt, dass eine von den Eltern angestrebte Rückführung ihres Kindes aus einer Pflegefamilie das bestehende Bezugssystem verändere und zwangläufig mit einem Abbruch der gelebten Eltern-Kind-Beziehung einhergehe, was die kindliche Entwicklung gefährde. Denn damit stellt es letztlich auf einen Umstand ab, der mit jedem Wechsel der aktuellen Hauptbezugspersonen der Kinder verbunden ist und einer Rückführung in den Haushalt des Beschwerdeführers automatisch dauerhaft entgegenstehen würde (vgl. BVerfG, 17.02.1982, 1 BvR 188/80, BVerfGE 60, 79 <89>; BVerfG, 14.06.2014, 1 BvR 725/14
<Rn 20>). (Rn.21)
Orientierungssatz 2.b:
2b. Gleichfalls kann es verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen, das Risiko einer Bindungsstörung im Falle einer Kindesrückführung auf ein gestörtes Vertrauensverhältnis zwischen den natürlichen Eltern und den Pflegeeltern zu stützen. Sind – wie hier – sehr strenge Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in das Elternrecht zu stellen, dürfen derartige Spannungen nicht ohne Weiteres zu Lasten der natürlichen Eltern gehen. Anderenfalls könnte ihnen entgegen den Anforderungen des Art 6 Abs 2 Satz 1 GG keine ausreichende Chance auf Rückkehr ihrer Kinder in ihren Haushalt eröffnet sein. Es ist insoweit Sache des Staates, eine Trennung der Kinder von ihren Eltern nach Möglichkeit durch helfende und unterstützende Maßnahmen zu vermeiden (vgl BVerfG, 22.05.2014, 1 BvR 2882/13 <Rn 33>). (Rn.22)